„The only people who like change are wet babies.“ Das war mein erster Gedanke, als ich den Hörer auflegte. Gerade hatte ich eine der kürzesten Telefonkonferenzen als Geschäftsführerin beendet – und dieses Telefonat sollte mein bisheriges Leben auf den Kopf stellen. Fast zwanzig Jahre lang war ich im gleichen Unternehmen. Hier fühlte ich mich wie zuhause, war eingebunden in alle Entscheidungen und agierte unter Freunden. Mit einem Schlag sollte sich das ändern. Es kamen Fremde hinzu, die mir wie Eindringlinge in unsere heile Welt vorkamen. Plötzlich war alles neu. Ich hatte nicht um diese Reise gebeten. Sie wurde mir einfach aufgezwungen. Ich musste mich verändern. Und so stürzte ich mich in mein neues Schicksal …
Haben auch Sie eine Geschichte, die Ihr Leben veränderte? Es gibt unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Einige erzählen ihre eigene Geschichte, andere verweisen auf etwas, was sie gehört oder gelesen haben. Die Bibel, der Koran, aber auch „Der Alchimist“ (Paulo Coelho), „Der kleine Prinz“ (Antoine de Saint-Exupéry) und „Der Fänger im Roggen“ (J. D. Salinger) werden oft genannt. Geschichten sind mächtig. Sie können Selbstmorde auslösen (Goethes „Werther“) und vor Selbstmord warnen (Christiane F.:„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“). Sie können die Angst vor der Dunkelheit nehmen (C. S. Lewis: „Die Chroniken von Narnia“) und ein Licht der Hoffnung entzünden (H. B. Stowe: „Onkel Toms Hütte“). Storytelling ist derzeit eines der meistdiskutierten Themen unter Kommunikationsexperten. Zu fast jedem Thema scheint „Storytelling“ der Schlüssel zum Erfolg. Daher wundert
es kaum, dass sich auch Change-Manager, HR-Abteilungen und Betriebspsychologen mit der „Kraft der Geschichte“ beschäftigen.
Zu Recht, denn die Persuasionsforschung hat schon lange nachgewiesen, dass gute Geschichten überzeugender wirken als Fakten. Skeptiker erreicht man damit eher als mit sachlichen Argumenten oder nüchternen Statistiken. Neurowissenschaftler kennen den Grund: Während Daten gezielt einzelne Bereiche unseres Gehirns
aktivieren, sprechen Geschichten eine ganze Reihe von Gehirnregionen an. Geschichten arbeiten mit Bildern. Sie sind „Kino im Kopf“. Sie wecken Emotionen, verankern Informationen und lösen Assoziationen aus. Und das Beste: Gute Geschichten sind „viral“. Sie werden wieder und wieder erzählt. „Sharing“ nennt man das heute. Was aber macht eine gute Geschichte – eine gute Corporate Story – aus?
Fünf Komponenten sorgen für den Erfolg
Jede Geschichte braucht einen guten Grund, um erzählt zu werden. Der Anfang jeder Corporate Story ist daher eine klare Positionierung der Unternehmensmarke (Meaningful Brand), die überzeugende Antworten gibt auf die Frage: „Was will dieses Unternehmen erreichen?“ (Vision).
Jede gute Geschichte braucht einen Helden, der klar erkennbar ist. Denn wir identifizieren uns leichter mit einer einzelnen Person als mit anonymen Gruppen. Noch ein Tipp: Das Unternehmen muss nicht zwangsläufig der Held in der Geschichte sein, vielleicht ist es auch mal der Mitarbeiter oder der Kunde.
Jede gute Geschichte startet mit einem Konflikt: In der Unternehmenskommunikation sind wir eigentlich gewohnt, über Lösungen zu sprechen. Doch gute Geschichten leben vom Drama, von den Herausforderungen, die der Held meistern muss. Durch den Konflikt baut sich die Spannung einer Geschichte auf. Und die Lösung erstrahlt umso heller, je ausführlicher der Konflikt dargestellt wurde.
Gute Geschichten berühren uns emotional und unterhalten. Sie müssen mit Herz (und Schmerz) erzählt werden, nur dann öffnen sie auch das Herz von Skeptikern. Eine Herausforderung für viele Unternehmenskommunikatoren, die gewohnt sind, mit sachlichen Reports und seriösen Artikeln zu informieren.
Gute Geschichten sind inspirierend und viral. Genau das muss der Anspruch an Corporate Storytelling sein. Gute Geschichten machen im Unternehmen von allein die Runde. Dafür gilt es die passenden Informationskanäle zu nutzen, aber auch Mut und Toleranz aufzubringen, dass Geschichten ergänzt und verändert werden. („User-generated Content“).
Geschichten helfen, Verhalten zu ändern. Jedes Märchen erzählt uns, was wir tun und lassen sollen und wie wir erfolgreich durchs Leben gehen: Du sollst keinem Fremden vertrauen (Rotkäppchen), Schlauheit siegt über Stärke (Das tapfere Schneiderlein), Lügen haben kurze Beine (Pinocchio).
Doch Unternehmen erzählen keine Märchen. Wie also sehen erfolgreiche Corporate Stories aus, die für Change-Prozesse geeignet sind? Und wo kommen diese Geschichten her? Drei Ansätze haben sich hier als sehr erfolgreich herausgestellt:
Die Parabel – Hier werden Veränderungsprozesse mit Hilfe von Analogien veranschaulicht. Die Ist-Situation im Unternehmen, die Soll-Situation oder auch der Weg vom Ist zum Soll werden mit Szenarien verglichen, beispielsweise aus Natur, Technik, Kunst oder Sport. Die Parabel hilft, bildhafter und greifbarer zu erzählen und komplexe Vorgänge einfacher darzustellen.
Der Erfahrungsbericht – Konkrete Fallbeispiele zeigen Veränderungserfordernisse auf. Der Zuhörer erkennt sich in der Darstellung wieder und entwickelt seine Erfahrungen weiter.
Der persönliche Report – Manager sind Menschen und Menschen lösen Veränderungen aus. Mit Hilfe persönlicher Geschichten über den Ausgangspunkt von Veränderungen bis hin zur Beschreibung
der Reise vom Ist- zum Soll-Zustand motivieren Manager ihr Team auf emotionale und persönliche Art.
… Und meine ganz persönliche Reise? Drei Jahre nach dem Merger zwischen Ketchum und Pleon gibt es viele Geschichten über den Zusammenschluss der beiden Agenturen. Die meisten beginnen mit „Es war einmal“ und viele haben ein Happy End. Auch für mich. Heute bin ich Chief Creative Officer von Ketchum Pleon, Europas Agentur
des Jahres 2013, die vor kurzem in Cannes mit einem goldenen und zahlreichen Löwen in Silber und Bronze ausgezeichnet wurde.
Weitere interessante Themen zum Thema Change-Management finden Sie im
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