Jüngst hat es eine Studie des Deutschen Aktieninstituts wieder bestätigt: Die Deutschen scheuen Aktieninvestments. Gerade einmal 4,9 Millionen Deutsche investieren direkt in Aktien. Trotz aktueller Rekordjagd des DAX. Trotz realer Verluste mit den meisten Spareinlagen. Zum Vergleich: In den USA hält jeder zweite Bürger Aktien und in Schweden oder Großbritannien jeder Fünfte. Auch beim Besitz von Aktien über Fonds sieht es nicht viel besser aus. Wachstum findet hier vor allem in den Spezialfonds statt, die sich ausschließlich an institutionelle Investoren wenden. Lebensversicherungen, Zertifikate, selbst Offene Immobilienfonds – das Vertrauen in die Produkte und das Anlagevolumen sind in fast allen Anlageklassen in den vergangenen Jahren gesunken. Deutschland bleibt ein Land ohne Anlegerkultur. Gerade im letzten Jahrzehnt hat sich hier wenig getan. Lediglich 15 Prozent der Anleger haben in den vergangenen zehn Jahren erstmals in Aktien investiert. Zum Vergleich: 2004 waren es noch 61 Prozent der Anleger, so die Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI). In den 1990er Jahren konnten also noch viele Menschen für Anlagethemen gewonnen werden. Im vergangenen Jahrzehnt ist dies dagegen offenbar nicht gelungen.
Wo ist der Manfred Krug des neuen Jahrtausends?
Natürlich haben die Marktentwicklungen seit der Jahrtausendwende viele Anleger enttäuscht. Schließlich fallen das Platzen der New Economy Blase oder die Finanzkrise in diese Zeit. Dennoch: Wer Ende 1998 in den DAX investiert hat, konnte bis zum Jahresende 2013 eine jährliche Rendite von immerhin 4,4 Prozent erzielen. Der Markt trägt also nur eine Teilschuld. Vielmehr sind die meisten Marktteilnehmer verzagt.
Es fehlt an starken Kampagnen, die sich mit Anlagethemen beschäftigen und sich um neue Anleger bemühen. Wo ist der Manfred Krug des neuen Jahrtausends? Auch 14 Jahre nach der Jahrtausendwende haben wir ihn noch nicht gesehen. Welcher Finanzdienstleister oder welches kapitalmarktorientierte Unternehmen kommuniziert nicht nahezu ausschließlich in Richtung der kleinen Gruppe derjenigen, die sich ohnehin mit Aktien und Anlagethemen beschäftigen? Wer versucht stattdessen über Initiativen und eine breite Kommunikation Menschen für Anlagethemen neu zu begeistern?
Dabei mangelt es nicht an guten Gründen, die Anlegerkultur in Deutschland zu fördern:
- Die Voraussetzungen für eine unternehmerische Finanzierung über den Kapitalmarkt würden verbessert;
- deutsche Unternehmen werden immer abhängiger von internationalen Kapitalgebern;
- die Kosten des demografischen Wandels lassen sich nur mithilfe funktionierender Kapitalmärkte und höherer Renditen in der privaten Vorsorge decken;
- die Finanzindustrie braucht nach den Krisen der vergangenen Jahre neue Kunden und Geschäftsmodelle, die zukünftiges Wachstum ermöglichen;
- schließlich decken sich diese Branchen- und gesellschaftlichen Interessen mit dem individuellen Bedürfnis der Verbraucher: Denn ein gleichbleibend hoher Lebensstandard lässt sich vor allem mithilfe einer effizienten privaten Vorsorge erfüllen.
Schon mal gehört, Tag der Aktie?
Über die Vorteile einer besseren Anlegerkultur ist man sich auch in der Branche einig. Die Initiative des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK), im vergangenen Juni den „Tag der Aktie“ auszurufen, mag hierfür stehen. Allerdings bleibt es bei leisen Wünschen. Ein Ruf mit Resonanz ist bislang nicht erklungen. Es entsteht der Eindruck: Alle wünschen, dass sich etwas bewegt. Aber das Führerhaus ist verwaist und es findet sich niemand, der ein paar Kohlen auflegt. Zugegeben: Die Regulierungsvorhaben binden derzeit viele Kräfte (beispielhaft hier die Darstellung zu Regulierungsthemen des Bundesverband Investment und Asset Management BVI). Das sollte jedoch nicht von den nachhaltigen Problemen für Finanzdienstleister, kapitalmarktorientierte Unternehmen und schließlich auch die Verbraucher ablenken, wenn sich die Anlegerkultur hierzulande nicht verbessert. Stattdessen steht die Branche jedoch weiterhin dicht gedrängt auf dem Trittbrett und wartet, dass sich der Zug in Bewegung setzt. Wie in vielen anderen Bereichen gilt jedoch: Stillstand ist Rückschritt. Das belegen nicht zuletzt die Zahlen der Studie des Deutschen Aktieninstituts für das vergangene Jahrzehnt.